Sarah
Kane, die Zeit ihres Lebens selbst an depressiven Schüben litt,
unternimmt in ihrem Stück "4.48 Psychose" die
Zustandsbeschreibung
einer Depression. Der Zuschauer wird mit den Wahrnehmungen und
Gefühlen
eines psychotischen Bewusstseins konfrontiert und mitten in die
dichte
Bilderwelt einer Existenz am Rande des Wahnsinns versetzt. Die
Protokolle
therapeutischer Gespräche und Auszüge aus der Krankenakte,
die Kane als Kontrapunkte zu diesem poetischen Stimmengewirr
setzt, geraten
zum ironischen Kommentar, die Außenwelt verschanzt sich hilflos
hinter banalen Floskeln und medizinischen Fachausdrücken. Um
4.48
Uhr, wenn sich die seditative Wirkung der Medikamente
verflüchtigt
und ein Moment größter Klarheit eintritt, wandelt sich das
Tableau aus Schmerz, Wahn und Obsession in eine radikale
Selbstanalyse,
die in ihrer schonungslosen Offenheit individuelle und
gesellschaftliche
Ordnungssysteme in Frage stellt.
"4.48 Psychose" bricht mit einem der letzten Tabus
unserer Gesellschaft,
indem es suizidalen Gedanken, Versagensängsten und Schuldgefühlen
einen anderen Raum als die psychiatrische Anstalt und eine andere
Sprache
als die klinische Fachterminologie zugesteht. Schonungslos werden
Kunst
und Krankheit, Poesie und Wahnsinn gleichgesetzt und auch dem
„gesunden“ Geist
bekannte Gefühle wie Liebessehnsucht und Selbstzweifel als
Symptome
einer unheilbaren Psychose dargestellt.
Es war nicht lange, ich war
nicht lange dort. Doch beim Trinken des bitteren schwarzen Kaffees
sticht mir der Medizingeruch in die Nase in Schwaden von kaltem Tabak
und etwas ergreift mich an diesem immer noch wimmernden Ort und eine
Wunde von vor zwei Jahren öffnet sich wie ein Leichnam und eine lang
schon begrabene Scham brüllt ihre stinkend verfaulende Trauer heraus
(aus:
"4.48 Psychose")