feminin
/ masculin
EIN
SINGSPIEL
Text:
Bodo Hell / Musik: Periklis Liakakis / Konzept: Ernst M. Binder
EINS
XIV
Sternschnuppen und Wünsche (Laurentius)
ZWEI
I
O heilige Frau Kümmernis
DREI
II
(Rundtext)
ZWISCHENSPIEL
I
VIER
III
Apollo, Musen, Fama (Re-konstruktion, Wechselrede)
FÜNF
IV
Donna Juana (Monolog 1)
SECHS
SIEBEN
VI
In den Alpen (dialogisch/sinfonisch, Reflex auf Richard Strauss)/1
ZWISCHENSPIEL
II
ACHT
IX
Donna Juana (Monolog 4)
NEUN
XVI
male/female
ZEHN
XI
Bruder Klaus (Tobiasnächte)
ELF
ZWÖLF
XV
Robert Walsers Wilderer
DREIZEHN
ZWISCHENSPIEL
III
VIERZEHN
XVI
male/female
FÜNFZEHN
XVI
male/female
SECHZEHN
XIII
Luxuria/Wollust (Botticelli/Schöngrabern)
SIEBZEHN
II
(Rundtext) sechs
ACHTZEHN
XIV
Sternschnuppen und Wünsche (Laurentius)
EINS
XIV
Sternschnuppen und Wünsche (Laurentius)
KAOKO
geht nach vor, spricht ins Publikum
KAOKO
すべてのひとが混乱をぬけ
あるいは魂の危険が減らされ
自分自身を見失うことがありませんように
わたしが聴く音が
わたしの歌う音が
わたしの身体にとくべつな響きをもたらしますように
何日か前から迷子になっている
まだこの山のことを知らない仔牛が
山のどこかの片隅でみつかりますように
流れ星をみたら、何かを願うということは知られているが
はやく願わなくてはならない。
流れ星が消えてしまえば願いは失われてしまうから。
偶然にひらめいたことを冷静にすばやく願うことだ。
KAOKO
bleibt stehen
ZWEI
I
O heilige Frau Kümmernis
ALLE
wie
schön gewandet stehst du da
samt
deinen güldnen Schuhen,
die
Hände flach ans Holz gespießt
hast
keine Zeit zum Ruhen
den
Freier, der dir zugedacht
den
wolltest du nicht nehmen
dein
Kreuz ziert jetzt so manchen Ort
in
Östreich/Bayern und Böhmen
hast
dich, der Sexattacken leid,
vom
Herrn (Jesus Christus selbst) verschandeln lassen
des
Vaters Stolz war so verletzt
er
warf dich auf die Straßen
KAOKO
setzt sich wieder
und
ließ dich etlich Tage lang
am
Kreuzesholz verschmachten,
derweil
dir Freunde aus der Stadt
teilnehmend
Trost (Essen, Wein, Musik) darbrachten
dem
Geiger halfst du mit dem Schuh
den
wollte er verscherbeln
des
Kirchenraubs zieh man ihn drauf
und
führte ihn zum Sterben
sein
Weg geht an dem Bild vorbei
er
darf zum Trost noch (einmal) spielen
da
wirfst du ihm den zweiten Schuh
kannst
jetzt sein Glück erfüllen
ob
Mann, ob Frau: du kümmerst dich
bei
Mißwuchs, Not an Kindern,
als
Virgo fortis, Weiber-Leonhard
versuchst
du Schmerz zu lindern
DREI
II
(Rundtext)
ALLE
denk
daran, danke,
dann ist alles vorbei, aber nur, um immer wieder neu zu beginnen,
Typberatung / Bartservice, verfügen Sie über die
erforderlichen Ausdrucksmittel, um die Dinge beim Namen zu nennen,
das Herz - ein selbstherrliches Organ, warum fragst du - weil ich es
wissen will, jedes Wort ein Fallstrick
die
menschliche Stimme dient zunächst nur zu einem Heulgesang, der
aus Freude, aus Zorn, ja sogar aus Hunger angestimmt wird, Cantata
- das psychologisch konzipierte Hintergrundprogramm, erst wählen,
denn öffnen, dort wo die Ziege angebunden ist, muß sie
auch grasen, ein guter Platz zum Leben, die Abendsonne, diese schöne
Lügnerin, malt wieder das Bild einer heilen Welt an den Himmel,
Gott verläßt uns nicht, das wirst du schon noch erfahren,
was bin ich: ein Blick durchs Mikroskop sagt es, entweder ich habe
mich falsch ausgedrückt oder ich bin mißverstanden worden,
was geht, geht, wovon werden wir morgen geistig leben
Geduld
bitte, Moment bitte noch, Augenblick bitte, bitte warten,
vorauseilende Mechaniken haben platzgegriffen, eine Ulme gibt auf /
eine Alge ersetzt den Willen / eine gefährdete Umwelt ruft die
Literatur zu Hilfe, es gehört eben auch die Musik zu den
Sorgenbrechern des Menschen, wie Tabak, wie berauschende Getränke,
denken wir mal nach, und durchbrechen wir Gewohnheiten, gerade die
kleinen Dinge des Lebens machen so viel Unterschied, gut gerahmt
gewinnt das Bild, die Welt ist in Bewegung geraten und befindet
sich in einem qualvollen Übergang, dessen Ende nicht abzusehen
ist, der Hausfrieden hängt schief, die Absichten und
Anforderungen, die man an sich selbst stellt, wachsen ständig,
während die Zahl der erledigten Dinge sinkt, niemals haben wir
so viel Mühe gehabt wie jetzt damit, keine Mühe zu haben,
wieviel?, 17 Millionen Schmutzpartikel pro Atemzug, auch Leder
braucht Erholung
wenn
man sich einschränken muß, bleibt man daheim, seien Sie
heute unauffindbar, der Mensch ist der Mittelpunkt aller Räume,
man muß die Stromkreise der Aufmerksamkeit wieder in Betrieb
nehmen, wenn Sie noch aufbleiben wollen, dann gute Unterhaltung, wenn
Sie sich zur Ruhe begeben wollen, dann gute Nacht, so viele Vorteile
sind unbeschreiblich, das Schlafbedürfnis des Primitivmenschen
ist ein sehr starkes und zwingendes, erst der Kulturmensch wird Herr
auch über seinen Schlaf und schränkt ihn durch Arbeit oder
Vergnügen ein, fragt sich nur, wie lang man das aushält in
jeder Beziehung, ich bin ein Lieblingskind von Mutter Natur,
allerdings weiß die Wissenschaft noch nicht genau, was Schlaf
eigentlich ist, ohne Titel / ohne Datum, auf jeden Fall muß man
eine große mentale Reserve haben, sollten Sie die Angst lieben,
dann wird das die Nacht Ihres Lebens, Ihr Bahnhof weiß mehr
ZWISCHENSPIEL
I (Nebel)
Während
Zwischenspiel hält GINA Tafeln mit folgender Aufschrift in die
Höhe:
denk
daran danke dann ist alles vorbei aber nur um
immer
wieder neu zu beginnen
VIER
III
Apollo, Musen, Fama (Re-konstruktion, Wechselrede)
DIDI
WAS
WIR WIE IN EINEM TRAUMBILD SEHEN KÖNNTEN
BODO
(Megaphon) + GINA
einen
starken Baumstamm, der die Szene mittig in zwei Teile teilt und mit
seinen düsteren Zweigen sowie lorbeerähnlichen Blättern
zugleich die Verbindung zwischen den beiden belebten NaturTeilbildern
herstellt, die ja auch durch den scheinwerferartigen Lichteinfall auf
Körper und Kleider der Figuren (inselhaft wohl durch Lücken
im Blätterdach des fortgesetzten Wald- und Waldrandstücks)
zueinander in Beziehung gebracht sind, so als säßen in den
Baumkronen etliche Beleuchtungsfachleute, die mit ihren Verfolgern
diese Einzelheiten mal hervorheben, mal wieder in der mythologischen
Düsternis und Unbestimmtheit versinken lassen
DIDI
WAS
WIR WIE IN EINEM TRAUMBILD SEHEN KÖNNTEN
BODO
(Megaphon) + GINA
auf
der linken Bildhäfte, schon so gut wie unter freiem Himmel, aber
doch speziell angestrahlt, tummeln sich zwei weibliche Paare
tänzerisch im bebuschten abschüssigen Gelände, nackt
bei aufgesteckten Frisuren (eine Blondine im Profil) mit verwundenen
Körpern und gestikulierend weggestreckten Armen, diese
unterschiedlich abgewinkelt, mal in hinweisender, mal in sich
verweigernder Haltung, mit zeigenden oder gespreizten Fingern, wobei
auch die lustvoll verdrehte Körperbewegung (erst ab Po und Bauch
sichtbar, denn die Geländefalten verdecken Beine und Füße
der Tanzenden ganz) durch solch angehobene Armbewegung
gewichtsausgleichend stabilisiert werden kann, jedes Paar sich
gegenseitig nicht aus den Augen lassend, quasi die Blickfäden
bei aller Beweglichkeit der Körper stets gestrafft (welchen
Liebes- oder freundschaftlichen Aufmerksamkeitsaspekt das auch im
jeweiligen Frauenpaar darzustellen imstande sein könnte),
vielleicht versucht auch die in beiden Fällen weiter entfernte
Nackte ihre vielleicht noch widerstrebende und in den Wald rechts (zu
Apoll hin) zurückweisende Partnerin fortzulocken, zumal
sich hinter einem weiteren Waldstück eine bläulich
schimmernde Fluß- oder SeenEbene zeigt, die ihrerseits hinter
Kuppen von einem hellen Hochgebirgsausläufer unter weißblauem
Himmel abgeschlossen wird, wobei vom linken Bildrand noch eine
kopfförmige Felsformation ebenfalls in die freie Richtung stumm
nach hinten hinunter weist, dieser Geländekopf mit einigen
Sträuchern wie ungepflegten Haarbüscheln bestanden
DIDI
WAS
WIR WIE IN EINEM TRAUMBILD SEHEN KÖNNTEN
BODO
(Megaphon) + GINA
in
der Bildmitte und inmitten stürmisch bewegten Gezweigs
präsentiert sich ein halb sitzender, halb lehnender nackter
Musiker en face mit seinem Streichinstrument (der Bogen dazu
liegt am Boden), den Ellbogen auf eine bereitstehende Stele und den
Kopf schräg in die rechte Handfläche gestützt, halb
Puppe, halb Putto, Augendeckel zu, schlummernd oder versonnen, vor
sich bis an den Bildvordergrund eine Vielzahl geschoppter bunter
Tücher (lässig hingeworfene zartstoffliche Frauenkleider?),
drauf- und drunter Bücher und Papiere (die meisten aufgeschlagen
zurückgelassen) sowie Musik- und Himmelsinstrumente liegen
habend, diese Relikte (man kann sagen:) grell beleuchtet, während
hinter dem ruhenden Musikus in der düsteren Waldnische ein
Köcher mit Pfeilen samt dem obligaten Bogen sowie ein oben
verdickter Zeremonialstab erahnbar wird, wobei exakt darüber
eine blau gewandete Flügelfigur, vorm dunklen Hintergrund gut
sichtbar, Fama in Rückansicht, den rötlichen
Haarschopf im Seitenwind nach rechts waagrecht gestellt, barfüßig
und mit Gleichgewichtsinstrumenten in den zum Flug ausgestreckten
Händen (links so etwas wie eine Oboe, rechts eine Art Posaune
oder Tröte) davonzuschweben sich schon angeschickt hat, der
Szene wohl keine weitere Aufmerksamkeit mehr schenkend, ganz auf
ruhigen Durchflug durchs scheinbar undurchdringliche Gezweig bedacht
Gina
geht nach vor, nimmt Kaoko und Mona mit
DIDI
WAS
WIR AUS DEN ERHALTENEN SZENEN AN STIMMEN HERAUSZUHÖREN VERMEINEN
GINA
+ KAOKO + MONA
DIE
MUSEN: Da haben wir also unsere Rollenbücher und Codices einfach
auf dem bloßen Erdboden liegengelassen. Unbeaufsichtigt. Jede
an ihrem Platz ausgebreitet, der Blätter- und Moosfeuchtigkeit
nicht weiter achtend. Auf dieser Waldlichtung, durch ein
Sonnenfenster im Blätterdach hell erleuchtet, da haben wir uns
nach der Theaterprobe freudig verstohlen in die nahen Büsche
geschlagen. In unserem frühneuzeitlichen EvaKostüm
DIDI
(wienerisch)
APOLLO:
Da knotzt es sich gut mit meiner Gambe zwischen den Schenkeln. Oder
der Viola da braccia zwischen Armen und Beinen, halb sitzend, halb
lehnend, mit Ellbogen und Oberarm auf den Säulenstumpf
aufgestützt, nämlich auf so einen, wie er in
Künstlerstudios und historischen Foto-Ateliers als
verwacklungsvermeidend steht und benützt wird, während
meine Fußsohle links das glatte Rohseidentuch des Mädchens
Urania spürt und berührt. Ihren aus Reifen geformten
Himmelsglobus mit Haltestiel, worin die wichtigsten Himmelskreise
verkörpert sind, hat sie detto liegengelassen, ich als
Sonnenwagenlenker außer Dienst will mir nimmer die Finger
verbrennen, lieber dämmere ich weiter im Halbschlaf dahin und
schau gar nicht nach, wo sich die sternenkundige Schwester mit ihren
Gespielinnen in der Nähe vergnügt, sei’s im Reigen
der Gestirne am Tanzplatz, sei’s in der Pantomime dekorativ
verrenkter Frauenextremitäten nach keineswegs anorektischem
Schönheitsideal
GINA
DIE
MUSEN: Matrilineares Erbe und mütterliche Anleitung sind uns
seit jeher nicht schlecht bekommen. Lange bevor der Hufschlag des
Pegas jene Quelle hervorzuschlagen vermocht hat, die nicht nur
den dürstenden Wanderer, sondern auch unser aller Mutter
erquickt. 9 Nächte hintereinander sei der Gott der Götter
bei dieser Quelle Erinnerung gelegen.
GINA
+ KAOKO + MONA
Und
so haben wir Musen, alle auf einmal das Licht der Welt, d.h. sogleich
auch die endlose Warteschlange der nach Inspiration und
lebenswichtiger Information dürstenden schöpferischen
Menschen,
GINA
hält Schild hoch
erblickt.
CLEMENS
DIE
FLIEGENDE FAMA: Eines scheint sicher, nämlich wenn das
Mythologem einmal stirbt und also gestorben ist, dann bleibt der
Nachwelt (personifizierend) nur mehr die Allegorie (Vorlieb nehmend
mit äußerlich klappernden Gesten und Zeichen). Da lob ich
mir meine Schalmei und hab dazu auch gleich die abgelegte
RuhmesTrompete der zum Rühmen geborenen (und längst als
schicker französischer Damenflitzer wiedererstandenen) Clio
geschnappt. Damit such’ ich jetzt stillschweigend flatternd und
den Waldbäumen vorsorglich ausweichend, Koriandoli wie
Buchstabensticker am Schauplatz zurücklassend, anderswo Lob und
Tadel, prospekt- und retrospektiv ausstreuend, erst einmal wieder das
Weite.
DIDI
WAS
WIR IN DEM TRAUMBILD NICHT SEHEN KÖNNEN SO ALS WÄREN WIR
KURZZEITIG AUF DEM RECHTEN AUGE BLIND
ob
sich das offensichtliche Panorama über den rechten Rand hinaus
in einer dritten Szene fortsetzt, in der vielleicht weitere nackte
weibliche Gestalten tänzerisch oder sonstwie enteilend das Weite
suchen, das in dieser Richtung etwa tief in den Wald hinein führen
könnte und fürs erste keine schönere ferne Zukunft in
Aussicht stellen würde. Aber vielleicht stellt sich die Szene
auf diesem abgeschnittenen Teil des Bildes auch ganz anders dar,
nämlich als Freiraum für Phantasien, in der stark
empfundenen Notwendigkeit, vorerst noch unvermessene Gebiete
wiederzugewinnen, in die hinein zu befreien sich die Figuren im
Nacktzustand gerade anschicken.
FÜNF
IV
Donna Juana (Monolog 1)
GINA
(DONNA)
MONA
+ KAOKO + CLEMENS machen Mundbewegungen
glaubst
du, du schaffst mich,
frage ich dich nachhetzenden Motoristen • dich forschen Mann am
Gaspedal • frage ich dich mit meiner Klebeaufschrift an der
Heckscheibe meines Damenflitzers • den du gerade überholen
willst, um seitlich zu mir hereinzuschauen • ob nämlich das
Gesicht auch hält, was die gepflegte Frisur verspricht •
wobei ich Dir im Umriß als Damenattrappe
schon aufgefallen bin, während du an meinen hinteren Stoßfänger
herangerollt bist • ich, die leibhaftige Fahrerin mit
einheimischem Kennzeichen
glaubst
du, du schaffst mich,
frage ich dich • und die Antwort dürfte wohl wieder NEIN
sein, wenn auch noch unausgesprochen • einmal angenommen, wir
hätten uns bereits eine Zeit lang aufeinander eingelassen, ohne
die üblichen Vorbehalte, in aller Offenheit (wie man
überschwänglich zu sagen sich erkühnt) • doch die
sensiblen Fühler bleiben stets ausgefahren und haben bald
gespürt, was hier wieder abgeht • während sich einmal
mehr die Erfahrung zu bestätigen scheint: Männer
/ können / keine / Sehnsucht erfüllen,
bleibt also nur: masturbierender Mönch/geißelnde
Bettelnonne
wer
wird der Deus ex machina der nächsten Stunden, Tage, Monate sein
• wer wird als solcher nach Jahren erscheinen, ein
gelungen/gelingendes Pendant, nämlich meine Ergänzung •
so ein nicht-nur-Doppelgänger, so eine nicht-nur-Doublette,
abermals nach den Regeln neurotischer Partnerwahl eingeheimst •
könnte es sein, daß die Voraussetzungen und parallelen
Ströme eines Tages stimmten/übereinstimmten • daß
sich die Energie nicht nur entfachen, sondern auch dauernd
beleben/wiederbeleben lässt/ließe
glaubst
du, du schaffst mich,
frage ich trotzdem, und sehe dich, ohne hinüberzuschauen, im
Augenwinkel vorbeifahren • nein:
LAUTSPRECHER
Zuwendung
und gar Zulächeln sind in diesem Fall nicht angebracht
SIEBEN
VI
In den Alpen (dialogisch/sinfonisch, Reflex auf Richard Strauss)/1
MONA
reitet die goldene Kuh!
MONA
Bitte,
wie erklären Sie sich und uns so etwas, verehrter Mann vom
Berge: Daß einem nämlich diese hundert Jahre alte
Effektmusik, sich auf die Alpen berufend, dermaßen in die
Knochen fährt, daß sie jedesmal wieder durch Mark und Bein
geht, daß es einen hinein- und hinunterzieht, daß es
einen schüttelt, daß es einem den Rücken
entlangrinnt, daß es einem leicht zuviel wird.
CLEMENS
Von
welcher Musik sprechen Sie denn, liebe Wanderin des hereinbrechenden
Abends, doch nicht von den Paradestücken so einer böhmischen
Blasmusikkapelle, die ihre Nummern auswendig oder von regenfesten
Tintennotenblättern herunter spielt (wenn auch offenbar nicht
vom Blatt), bei deren Auftritten sogar die heimischen Musikanten in
Scharen hinzuströmen, um dergleichen Vollblutmusiker in Aktion
zu sehen und sich etwas davon für die eigene Spielpraxis
auszuhorchen/abzuluchsen.
MONA
Nicht
solche brassbands am Dorfplatz samt den von ihnen dargebotenen
standards meine ich, vielmehr schwebt mir ein großes
Symphonieorchester in Gebirgsnähe vor, aus diesem oder jenem
Festspielsommerbetrieb abgezogen, die Musiker allesamt um 1500 m in
die Höhe versetzt, auf Wolke sieben, dem himmlisch opulenten
Streicherklang hingegeben. Die ausgesuchten Holz- und Blechbläser
verhalten agierend, rundum mit feinem Schlagwerk besetzt, samt
Windmaschine und original Herdenglocken.
Ich
stelle mir so ein effektvolles Klangbad für die ausgefuchsten
Ohren einer elegant urbanen Zuhörerschaft im großen
Konzertsaal vor, wie es wohlig warm von einem Dirigentenmaestro zu
Beginn des letzten Jahrhunderts etwa in Berlin mit der Dresdner
Hofkapelle uraufgeführt wurde, mitten in den Ersten Welt- und
Stellungskrieg hinein, zur Anbetung der ewig herrlichen Natur.
Diesmal fernab der unverrückbaren Alpen.
CLEMENS
Wichtiger
erscheint mir gegenwärtig nur eines: daß nämlich
dieser wunderbar beruhigende friedliche Abendklang der
Rindviehweideglocken im Hüttenrund einmal in voller Länge
aufgenommen, also gespeichert wird und somit auch außerhalb des
Almsommers gehört werden kann, nämlich genau in diesem An-
und Abschwellen der diversen Schellen und Glocken, je nach Intensität
und Energie von den Kühen, Kalbinnen und Kälbern. Also: Es
geht um diesen Klangteppich, ganz wie nebenbei und selbstverständlich
entstanden, kommend und gehend, immer wieder mit fundamentgründendem
Tiefenbaß, erst einmal gar nicht für Zuhörer und
Zuhörerinnen gemacht/gedacht. Das könnte für einen
Tondichter bedeuten: einen vollständigen akustischen Tageslauf
im Gebirge auf eine knappe wesentliche Hörstunde zu
komprimieren, in musikalischen Analogien versteht sich, in welchen
fünfzig Minuten dann alles enthalten sein sollte: von der Idylle
bis zum Unwetter, von der Kletterstelle über die Gletscherspalte
bis zu Alphorntönen, samt Auf- und Abschwüngen,
Gemütserregungen und Sinnesberuhigungen, in Korrespondenz zu
Wind und Wetter, zum Schmelzen des Schnees und der Eisplatten am
Gebirgssee wie zum Glitzern der freien Wasseroberfläche in
partiellen Windstößen, von Sonnenauf- und -untergang
gerahmt, aus der Nacht heraus- respektive in die Nacht
hineinsteigend.
MONA
wie
nämlich kurz vor Sonnenaufgang das rote Morgen-Auflicht von den
Höhen über die Hänge herabsteigt, bis es meinen
Standpunkt bei der Hütte erreicht hat, während am
Horizontkamm gegenüber das oberste Glutsegment des Sonnenballs
MONA
+ CLEMENS
in
diesem Moment über die Geländekante blendend emporsteigt
und sie hat für die ersten Minuten Rückenlicht bis zum
Auftrocknen des Morgentaus einen strahlenden Nimbus um unser beider
Schattenfiguren gelegt,
ZWISCHENSPIEL
II (LICHT!!!)
Während
Zwischenspiel hält GINA Tafeln mit folgender Aufschrift in die
Höhe:
ich
möchte ich sag es dir ich würde gern dableiben bei
dir
hier bei dir bleiben nämlich übernacht zum Schlafen
um
mit dir zu schlafen wie man sagt ohne Umschweife
ich
will mit dir schlafen
ACHT
IX
Donna Juana (Monolog 4)
KANON
3X: CEMENS + MONA + DIDU + GINA
komm
her, mein Lieber, mach alles mit mir, was du willst
KAOKO
(DONNA)
mit
Anspielung auf die beiden Zerlinen-Arien in Don Giovanni)
(folgendes
freistehend:)
ja:
schlag mich nur, kratz mir quasi die Augen aus, zieh mich bei den
Haaren, versohl mir den Hintern, tob dich ruhig – aus, bring
mich sozusagen – um
denn
so, wie ich mich aufführe, und bei all dem, was du mit mir
mitmachst, darfst du dich wohl nicht zu Unrecht – dazu
berechtigt fühlen, mich zu züchtigen, mich zu strafen, mich
in die Schranken zu weisen
für
diesmal wieder, vorläufig
ich
habe sehr wohl Verständnis dafür, daß du in Rage
kommst, daß du deine Eifersucht ausleben mußt, und es
entzückt mich geradezu, dich so wütend zu sehen
du
willst wissen, wo du es findest bei mir: na hier, hier, hier, hier
NEUN
XVI
male/female
CLEMENS
(Solo) + GINA (Stimme Hintergrund)
GINA
hält Zettel hoch über ersten Teil:
man
tummelt sich im Gebüsch / auf den Feldern die Vögel /
kennen
ja bekanntlich / nur die Heckenliebe /das Nest dient ausschließlich
/ dem Nachwuchs zum Schutz (aus
XVI male/female)
in
der leidenschaftlichen Liebe wird die allgegenwärtige
Kontenrechnung kurzfristig aufgehoben, ansonsten erweist sie
sich als strikt über Generationen hinweg geführt,
Liebe–Hochzeit–Streit–Scherbenhaufen, das Lächeln
dürfen Stewardessen / nie vergessen, auch wenn der Sprung über
die Zeitzonen erwiesenermaßen ihr Gedächtnis schwächt,
der Körper produziert das StressHormon Cortisol nämlich
auf Verdacht, da er nicht mehr weiß, was jetzt ist: Tag oder
Nacht
Klara
hat Verhältnisse, und diese Verhältnisse haben auch welche,
doch wenn ich so etwas ausplaudere, haben wir gleich Feuer am Dach,
das Leben ist ein Roman, und wir sollten unter allen Umständen
dafür sorgen, daß er gut ausgeht, selten so viel
gefühlt wie heute, schreiben wir abends ins Tagebuch, ein
bißchen geweint vielleicht auch, ich finde es ja schade,
daß immer alle alles zuziehen zur Nacht, man kann die Partnerin
/ den Partner natürlich auch durch den Beruf ersetzen, der
zweckgebundene Akt zwischen Mann und Frau könnte in Zukunft
sowieso überflüssig werden, gefährdet wie die Gemäuer
sind auch die Beziehungen zwischen Personen, so gehst du mir zu Leib
/ zu Geiste, den nächsten Verflossenen überschlage ich ganz
einfach, wir wollen so eine Liebesgeschichte nicht unbedingt zum
inhaltlichen Epizentrum aufwerten, schon gar nicht auf jener
geheimnislosen Ebene, die für Wunsch und Ahnung keine
entsprechend zauberische Übersetzung bereithält, er redet /
sie leidet, die Familie kehrt in die Literatur zurück, sie macht
Vorwürfe / er schweigt sich aus
ZEHN
XI
Bruder Klaus (Tobiasnächte)
BODO
(Stimme) + DIDI (Solo)
der
Autor der vorliegenden Rechtfertigungsschrift (zum Zwecke der
Heiligsprechung) und gleichzeitige Bruder-Klaus-Biograph (Pater Benno
von Stantz) bemüht sich in dieser seiner Compilation redlich,
die Heiligmäßigkeit dieses innerschweizer Nichtpriesters
und ehemaligen Familienvaters Nikolaus von der Flüe
herauszustellen, und besagter Pfarrer Benno wiederholt seinerseits
gegen alle Angriffe der Zweifler (an der Lupenreinheit des
EinsiedlerVorlebens unseres Kandidaten) die wohl bekannten Argumente:
daß nämlich der Ehestand unverhinderlich der
Gottseligkeit sei: Nahme also Nicolaus diese Jungfrau in der
Forcht des Herren mehr auß Liebe der Kinder (im
Kirchenrecht mit procreatio prolis tituliert), als der
Wollusts-halben, weilen ihm gar nicht unbewußt
jenes, was der Engel zu Tobia gesprochen: Die,
welche den Ehestand also annemmen, daß sie Gott von ihnen und
ihrem Hertzen ausschliessen, und dergestalt ihres Lusts pflegen, wie
ein Roß und Maultier, über diese hat der Teuffel Macht
(Tobit 6 ff), dieser Tobit-Sohn Tobias (merkwürdigerweise
auch einer der altbiblischen Modenamen der vergangenen Jahrzehnte)
aus dem Stamm Naphtali weiß sich in seiner eigenen
Hochzeitsnacht, wo doch die gefährliche Braut Sara in
ihrem Vorleben schon 7 Bräutigame verbraucht hat, entsprechend
magisch vor seinem eigenen Getötetwerden zu schützen: er
nahm etwas Glut aus dem Räucherbecken, legte (wie ihm der
Engel geraten hatte) das Herz und die Leber des Fisches drauf und
ließ sie verbrennen. Sobald der Dämon den Geruch spürte,
floh er in den hintersten Winkel Ägyptens; dort wurde er von dem
[besagten] Engel gefesselt (Tobit 8, 2-3), christliche
Ehepaare hielten traditionellerweise (diese Teufelsmacht der Lust
bedenkend oder auch nicht bedenkend) die ersten 3 Nächte nach
der Hochzeit als sogenannte Tobiasnächte, vielleicht um
den tödlichen Libido-Dämon zu täuschen oder für
immer auszuschalten (siehe auch den hl. Leopold und seine Agnes mit
aufgefundenem Schleier in Klosterneuburg aus Österreichs
Babenbergerzeit), oder wie der aufgeklärte habsburgische
Erzherzog Johann in der kanzlistisch gedrechselten (zu Lebzeiten
unveröffentlichten) Rechtfertigungsschrift seiner Mesalliance
(Titel: Der Brandhofer und seine Hausfrau, 1850) über die
heimliche Hochzeit mit der Ausseer Postmeisterstochter mitteilt: Anna
Plochl und er seien nach der Ehe-Zeremonie in der Kapelle des
Musterguts Brandhof am Seebergsattel unterm Hochschwab jeder in
ihr/sein Zimmer auseinander gegangen und hätten die Tür/Türen
hinter sich zugezogen
ZWÖLF
XV
Robert Walsers Wilderer
Hintereinander:
BODO, GINA, MONA, CLEMENS,DIDI und KAOKO
bist
du es, den ich liebe, bitte sag
MONA
Würde
man in einer dieser unmöglichen Geschichten, wie sie sich durch
die Jahrzehnte fortzupflanzen scheinen, ein weiteres Mal die
Behauptung aufgetischt bekommen, der Wilderer habe es heimlich mit
der unerträglich schönen Tochter des Jagdherrn (und
schließlich auch sie mit ihm) zu tun, dann legte man so eine
Sammlung klischierter ländlicher Begebnisse wohl angewidert
beiseite und griffe stattdessen zu veröffentlichten
Gerichtsprotokollen aus neuerer, sagen wir der Zwischenkriegszeit, um
sich ein verläßlicheres Bild von den wahren Gründen
und Umständen der Wilderei wie Arbeitslosigkeit und
Unterernährung zu verschaffen, etwa im Ostschweizer Appenzell
oder im steirischen Ennstal, hier am Fall Augustin Dormanns und
seiner Kameraden/Komplizen gegenüber dem Jungjäger
Höflechner im Kemetgebirge: in diesen Dokumenten würde man
dann wohl nicht auf die künstlerisch tätige
Feltrinelli-Tochter („ich male mit Vorliebe Wildererbilder“)
stoßen, durch deren und ihres jagdherrlichen Vaters monetäre
Dazwischenkunft die Gröbminger Prozeßrichter („alle
Mann auf Zoassenstall“) geneigter gemacht worden sein sollen,
zugunsten des Angeklagten zu urteilen und doch scheint unser
Seelenhaushalt in solchen Dingen auf derart markant paradoxe
Verknüpfungen geradezu angewiesen zu sein, daß nämlich
der RevierEindringling nicht nur dem flüchtenden Wild der Wälder
und Triften nachstellt, sondern auch das zahmmachende Zahme der
innersten familiären Gemächer beansprucht und an sich
zieht. Und wir verspüren eine uneingestandene Sympathie für
diesen Freibeuter, dem (wie uns) mehr als das Verordnete, nämlich
vor allem das Verbotene (Wild und Weib), zusteht. Meinen Sie nicht
auch?
DIDI
Dazu
nur soviel: ich habe den Kampf zwischen Kranich und Schlange
beobachtet: der Kranich, stellvertretend für das männliche
Prinzip, greift die Schlange mit seinem starken Schnabel stoßartig
an, während die das Weibliche symbolisierende Schlange mit
kreisförmigen, geschmeidigen Bewegungen auszuweichen und
ihrerseits anzugreifen versucht.
CLEMENS
Wäre
es nicht denkbar, daß die schneewittchenhaft auf dem Totenbett
daliegende Grafentochter in ihrer marmornen Kühle dem
verschwitzten outcast nur so lange begehrens- und
besitzenswert erscheint, als sie sich willenlos und unwissentlich
darbietet. Das heißt eben nicht als wiedererwachte ehedem
Scheintote die Augen aufschlägt, zu lächeln und zu sprechen
anfängt, den abgezogenen Ring fürs erste einmal
zurückfordert und mit einer unmißverständlichen
Körperwendung zum Ausdruck bringt, daß sie qua Leib und
Leben gemeinsam mit ihrem Erwecker fliehen oder gestehen, das heißt
in die Komplikationen einer Realverbindung samt Familienanschluß
und zu erwartender Eigenkreationen/Prokreationen eintreten wolle. Mit
allen daraus resultierenden Liebesgräbern, Verhärmungen,
Zumutungen und Schadloshaltversuchen.
DIDI
Wie
dem auch sei: ich möchte eine ganz und gar unaufwendige
Kampfkunst etablieren, um selbst für die Arena Alltag gerüstet
zu sein und ich möchte auch erwirken, daß andere sich
diese Rüstung aneignen können, nach der noch näher zu
erläuternden Devise: erlaubt, was effektiv, und sei es
durch Verbergen und Hinterhalt.
Für
den Fall allerdings, daß gar körpernähere
Kampftechniken eingesetzt würden, wären diese zumindest dem
Handlungsspielraum des österreichischen und Schweizer
Notwehrgesetzes anzupassen.
MONA
Sie
meinen also: Geübt werden sollte vor allem das Prinzip des
Ausweichens, und wie man sich nämlich danach am besten an der
Flanke des Gegners positioniert, um gezielt die Vitalpunkte des
Angreifers attackieren zu können, also Hals, Kopf und
Genitalien. Das bedeutet: Dominanz um jeden Preis samt
zwischenzeitlichen Übersprunghandlungen.
GINA
+ KAOKO + MONA
ach
so rufen Sie mir doch gleich meine lieben Eltern
ZWISCHENSPIEL
III (VOGELZWITSCHERN)
Während
Zwischenspiel hält GINA Tafeln mit folgender Aufschrift in die
Höhe:
ach
so rufen Sie mir doch gleich meine lieben Eltern
VIERZEHN
XVI
male/female 3:30
MONA
+ DIDI sitzen Seite an Seite auf dem Tisch. Pause
MONA
seit
die Kinder aus dem Haus sind, bringe ich wieder alle Knöpfe und
Reißverschlüsse zu
Pause
DIDI
auch
im mitteleuropäischen Garten läßt sich die klassische
Rollenaufteilung nachvollziehen: der Mann ist für die
Erdäpfelaussaat zuständig,
MONA
die
Frau ihrerseits kümmert sich um den jahreszeitlich adäquaten
Blumenduft
Pause
DIDI
wenn
du es wissen willst: ich habe den halben Sonntag damit zugebracht,
mein altes Fahrrad zu reparieren, um dann in die zaghaft sprießende
Natur hinausradeln zu können und damit so manche Verstimmung,
die meiner veränderten Lebens- und Liebessituation entspringt,
zu zerradeln,
MONA
da
können wir uns als weibliche Kunstschaffende noch so lange
anstrengen, bis wir als Urheberinnen und nicht bloß als
Schaustück des eigenen Lebens akzeptiert werden, o
Tempera / o Moses, diese junge hübsche Kollegin wird wohl auch
noch merken, daß das Interesse an ihrer Arbeit vom auffälligen
Brustumfang nicht ganz zu trennen ist, aber was in einigen Jahren
sein wird, wenn die offensichtliche Attraktivität geschwunden
ist, steht auf einem anderen Blatt
Pause
früher
war ich ziemlich ruhig, heute ist es etwas besser
GINA
wir
haben in der Regel zwei Geschlechter, die in einer Welt leben, wo für
die Liebe kaum Zeit und Platz ist, du mußt mir einen Termin und
einen Ort für das date geben, sagt die Geschäftsfrau
zum zögernden Liebhaber, der auf die innere Gewißheit wie
auf den Pfeil des Liebesgottes wartet,
MONA
+ DIDI
nach
dem berühmten indischen Lehrwerk, von einem Asketen in der
Einsamkeit verfaßt, unterscheidet man/frau 8 erotische
Stufen, nämlich: 1 Blicke, 2 Umarmungen, 3 Küsse, 4
Beibringen von Bißmalen, 5 körperliche Vereinigung, 6
Ausstoßen von mehr oder minder artikulierten Lauten, 7
Rollenwechsel der Partner und 8 Mundverkehr, wer auszieht, will mit
Sicherheit anderswo einziehen, allein bei den Bißmalen sind
wiederum 8 Arten von Zahnwunden unterschieden: der versteckte Biß,
der geschwollene Biß, der Punktbiß, die Punktgirlande,
der Korallenstein, die Juwelenkette, der Wolkenriß und 8. das
Eberknabbern, wenn Sie möchten, sehen wir uns morgen wieder, auf
die gar nicht so selbstverständliche Tatsache, daß wir
sexuell harmonieren, sollten wir nicht leichtfertig verzichten, nur
um ungewissen Lebensphantomen nachzujagen, die sich möglicherweise
als haltlos erweisen
Vermutungen,
Verdächtigungen, Voyeurismen, Vorfreude, in Trennungsphasen
kommt es meist schnell zur Absicherung der erschütterten
Gefühlsökonomie durch eine im Nu herbeizitierte
Außenbeziehung, diese sympathische Frau geht so heftig ran,
obwohl man doch eher annehmen müßte, sie hätte
angesichts von 2 Scheidungen und in Anbetracht erwachsener Kinder von
übereilten neuen Bindungen genug, wie steht’s um den
häuslichen Frieden (wenn man fragen darf), hab dich zwar von
Herzen lieb, allein Gelegenheit macht Dieb, ehrlich: würden Sie
sich von einer Kaffeetasse oder einem Cocktailglas ansprechen lassen,
ich rieche es: du hast in deiner Abwesenheit ganz schön
getrunken.
FÜNFZEHN
XVI
male/female
LAUTSPRECHER
Achtung:
ein Computervirus ist unterwegs, öffnen Sie keine Post mit der
Botschaft I LOVE YOU,
SECHZEHN
XIII
Luxuria/Wollust (Botticelli/Schöngrabern)
VOGELZWITSCHERN
CLEMENS
habe
Dich bereits da drüben hinter den Hügeln auf und abtauchen
gesehen, und Du bist mir gleich ins Auge gestochen, nicht im
mindesten als Touristin im weglosen Gelände hätte ich dich
empfinden können, sondern wie eine hierher gehörende
Gestalt, mitnichten städtische Wanderin, die schwärmend
einhergeht, sondern als (ernsthafte) Einheimische bist du gekommen,
mit suchendem Blick nach etwas Verborgenem
Anhang
1 Venuslitanei
KAOKO
Humus
CLEMENS
Humus?
KAOKO
Chymus
CLEMENS
Chymus?
KAOKO
Chymus!
CLEMENS
Thymus
KAOKO
Anónymus
CLEMENS
Hieronymus
KAOKO
+ CLEMENS
Anus
Banus
Álbanus
Erídanus
Quintiliánus
Julianus
Justinianus
Zyprianus
Vespasianus
Gratianus
Oktavianus
Janus
Trajanus
Manus
Romanus
Úranus
Tetanus
Montánus
Silvánus
Genus
Galénus
Venus
Venusberge
Venus
Express
Venusfächer
Venusfliegenfalle
Venusgürtel
Venushaar
Venusmuschel
Venusstatuetten
Venus
von Willendorf
mediceische
Venus
Venus
von Milo
Venus
in einer Landschaft
Venus
mit Spiegel
Venusfest
Agnus
Magnus
Albinus
Echinus
Delphinus
Linus
Minus
Trigéminus
Dóminus
Términus
Gambrínus
Severinus
Quirinus
Sinus
Kósinus
Zölestinus
Augustinus
Justinus
Rízinus
Alumnus
Vertumnus
Hymnus
Bonus
Konus
Diákonus
Tonus
Tritonus
Burnus
Turnus
Saturnus
Faunus
Taunus
Prunus
Antinous
Priapus
Ödipus
Schampus
Krampus Tempus Opus
Couscous
Dessous
Rendezvous
SIEBZEHN
II
(Rundtext) sechs
ALLE
KLATSCHEN
wo
ist das / wo ist das / Ende / dieser (Zwiefacher,
1-2-3/1-2-3/1-2/1-2)
Welt
Geld ver / mag in den / Primi/tiv-Ge-
sellschaften
/ alles die / Frauen / Kinder
kriegt
man durch / Geld, auch Ver / brechen / wird durch
Zahlung
ge / sühnt und mit / Geld er / kauft man
Frieden
und / schlichtet man / Streit, in / flotter
Ärgerbe
/ reitschaft doch / klagend / ich und
herrschsüchtig
/ gegen die / andren / andren
wer
sie wem / wegnimmt: so / kann die / soll die
Energie
/ frage ge / stellt sein / werden
ach
gib doch / so gib den / Kampf nicht / Kampf nicht
auf
ACHTZEHN
XIV
Sternschnuppen und Wünsche (Laurentius)
GINA
kommt an den Bühnenrand
GINA
(1)
wie sollte ich mir nicht wünschen, daß meinen fernen und
nahen Lieben nichts Schlimmes zustoßen möge, sondern nur
Gutes widerfahren
ach
könnte sich doch in dieser und jener Person (uns eingeschlossen)
die geistige Verwirrung lösen, die seelische Gefährdung
schwinden, die sie nicht zu sich kommen läßt
DIDI
kommt an den Bühnenrand
DIDI
(2)
wie schön wäre das: wenn nämlich jedes Tönen und
jedes Intervall, welches ich höre, welches ich vorgespielt
bekomme oder mir selbst vorsinge, direkt in meinen Körper
einginge und dort in seiner je spezifischen Weise Wirkung zeitigte
MONA
kommt an den Bühnenrand
MONA
(4)
ich denke, ich war jetzt beim Aufleuchten dieses Himmelsstrichs doch
schnell genug mit dem Aussprechen meines speziellen Wunsches, daß
nämlich das schon Tage lang abgängige Stück Weidevieh,
daß dieses geländeunerfahrene Kalb doch noch lebend in
einem abgeschiedenen Winkel des Weide- und Almgebiets gefunden
würde/gefunden wird
CLEMENS
kommt an den Bühnenrand
CLEMENS
(6)
daß man sich etwas wünschen darf, wenn man Sternschnuppen
fallen sieht, ist allseits bekannt, allerdings muß man da mit
dem Wünschen schnell sein, denn nach dem Verlöschen gilt
der Wunsch nicht mehr
KAOKO
geht nach vor, spricht ins Publikum
KAOKO
(Japanisch)
天体の現象は民間信仰においては二面性をもって解釈される。
BODO
(übersetzt)
-die
Bedeutung der leuchtenden Himmelserscheinungen wird im Volksglauben
ambivalent aufgefaßt:
KAOKO
(Japanisch)
流れ星がその年の結婚を予言してくれることもあれば,
BODO
(übersetzt)
einerseits
verkündet die Sternschnuppe Heirat im kommenden Jahr,
KAOKO
(Japanisch)
その一方で,
BODO
(übersetzt)
andererseits
zeigt sie an,
KAOKO
(Japanisch)
その瞬間にだれかが亡くなったと教えてくれることもある。
BODO
(übersetzt)
daß
in diesem Moment des Fallens ein Mensch stirbt.
KAOKO
(Japanisch)
どちらにしても,
BODO
(übersetzt)
In
jedem Fall, heißt es,
KAOKO
(Japanisch)
流れ星はその煌きで、哀れな魂を救済してくれるだろう。
BODO
(übersetzt)
ist
mit ihrem Aufglühen eine arme Seele erlöst.
THE
END
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