nach dem Theaterstück von | |
Inszenierung/Raum: Ernst Marianne Binder
Ausstattung: Vibeke Andersen
Licht: Geari Schreilechner
Technik/Assistenz: Christoph Trummer
Produktion: Andrea Speetgens
Technische Leitung: Geari Schreilechner
Öffentlichkeitsarbeit: Isabella Holzmann
URAUFFÜHRUNG
17. Oktober 2016 dramagraz
Weitere Vorstellungen in Graz:
19., 20., 21., 22. Oktober 2016, jeweils 20:00
WIEN PREMIERE
26. Oktober 2016, 20:00 Kunstraum Sellemond
Puchsbaumgasse 1C, Top 6.5
1100 Wien
Weitere Vorstellungen in Wien:
28. Oktober 2016, 20:00, Kunstraum Sellemond
Puchsbaumgasse 1C, Top 6.5
1100 Wien
13. November 2016, 16:00, 21er Haus
Arsenalstraße 1
1030 Wien
© Rechte für den Text: Verlag der Autoren, Frankfurt am Main
© Rechte für die Oper: Periklis Liakakis
Aufführungsdauer: 45 min
UA des Theaterstücks: Münchner Kammerspiele, 30.September 2007
R: Andreas Kriegenburg
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es sind mir nur oberflächen gelungen/ viele hübsche oberflächen//
das dahinter/ das darunter das konnte ich nicht/ ich dachte ich würde es kennen/ aber ich kannte es nicht | |
LAND OHNE WORTE ist eine Reflexion über die Möglichkeit von Kunst in unserer heutigen Welt: In K., einer Stadt am Rande der Menschlichkeit, hat eine Malerin Krieg, Gewalt und Armut erlebt, die sich nicht mehr darstellen lassen. Seither weiß sie nicht mehr, was ihr Sujet in der Kunst noch sein könnte. Dea Loher hat ein eindrucksvolles Monodrama geschaffen, das die unbequeme Frage stellt, was Kunst in unserer Welt darstellen, bewirken, verändern kann. (Verlagsankündigung) | |
zum schweigen verstümmelt/ ich will das nicht sein/ in keinem anderen leben | |
Die Frage nach dem Sinn von Kunst stellt sich nicht nur nach der Lektüre dieses Stücks und nach den Erfahrungen, die jemand in einem Kriegsgebiet, im konkreten Fall in Kabul, gemacht hat. Dieser Text bietet aber eine Gelegenheit, konkret darüber nachzudenken und zu hinterfragen, ob Kunst nicht mehr ist und sein kann und MUSS als das Thematisieren von Anteilnahme und das Hausierengehen mit der eigenen Leidensgeschichte, noch dazu, wenn sie in einen Kontext mit einer erschütternd grausamen Wirklichkeit gestellt wird.
"Die Autorin Dea Loher wurde 2005 nach Afghanistan eingeladen, um dort einen Schreibworkshop zu geben. Beinahe wäre ihr über diese Erfahrung die Fähigkeit zu schreiben abhanden gekommen: Die Eindrücke von Armut und Gewalt in dem kriegsgeschüttelten Land verstörten die 43-jährige Dramatikerin so nachhaltig, dass sie den Sinn jedweder künstlerischer Aktivität im Angesicht der grausamen Wirklichkeit zu bezweifeln begann. Aber dann hat Dea Loher ihre Zweifel doch produktiv genutzt und Land ohne Worte geschrieben", war in einer Kritik der Uraufführung im Deutschlandradio zu hören: "Das klingt ein bisschen nach Selbst-Therapie, ist es aber nicht im Geringsten. Dea Loher ist ein Monolog geglückt, der klug die Möglichkeiten von Kunst und vor allem ihre Grenzen reflektiert. Dazu hat sie die nagenden Zweifel einer Malerin in den Mund gelegt, die eine zeitlang in der Stadt K. verbracht hat - K wie Kabul - und dort zur Erkenntnis gelangt ist, bisher nur Oberflächen gemalt zu haben und nie zum schmerzlichen Kern der Dinge vorgedrungen zu sein."
Die Autorin findet, dass sie am Text völlig gescheitert ist: "... und sowieso nach wie vor ratlos, wie man sich diesem riesigen Thema adäquat nähern soll, auf dem Theater wahrscheinlich unmöglich. Oder nur für jemanden denkbar, der wirklich über die Innensicht verfügt." Die Anfrage nach einem Gespräch lehnt sie mit Bedauern ab, weil sie dazu nicht in der Lage sei.
Während in den Münchner Kammerspielen eine Darstellerin bewaffnet mit einem Pinsel und einem Kübel schwarzer Farbe die Verstörung ihrer Figur in wüste Angriffe auf die Scheiben, die sie umgeben, übersetzt hat, versuche ich in meiner Arbeit mit dem Komponisten Periklis Liakakis und der Sprechperformerin Gina Mattiello diesem Thema beizukommen, indem wir den Text in hörbare Bilder übersetzen, in KlangBildLandschaften, die erst im Kopf des Zuschauers sicht- und wahrnehmbar werden. Wir werden versuchen, das Publikum zu Augenzeugen des Geschehens im Kopf der Dichterin zu machen. Nicht die Situation in Afghanistan ist das Thema, sondern was diese Situation in der Betrachterin ausgelöst hat. Musik als bild-gewordenes Wort im weitesten Sinn: Entäußerung, Übergebung, Urschrei, Stottern, Stöhnen, Schreien, Gestammel ...
Wir werden die Frage auch dem uns umgebenden Raum stellen, den die Kreatur umgebenden Zuschauern. Es wird uns kein Kriegslärm wie in Kabul umgeben, aber es werden Geräusche sein, die verstören, wenn wir sie uns bewusst machen: das Magenknurren, das Sesselrücken, das Folgetonhorn eines Rettungsautos, das Räuspern, ein Gähnen, das Läuten eines Telefons, ein lautes Rufen auf der Straße, Kinderlachen ... Der Raum wird der Ort sein, wo wir die Gelegenheit haben werden, uns die Welt bewusst zu machen, der wir ausgesetzt sind.
Diese Installation soll uns auch daran erinnern, dass wir atmen und leben dürfen in einem abgeschotteten, sozialisierten und befriedeten Raum, dass wir uns aber nicht sicher sein dürfen und können, auf welcher Seite der Geschichte wir uns wiederfinden würden, wären wir unter anderen Umständen, in einem anderen Land geboren worden. Wir sollten auch gelegentlich hinterfragen, auf welcher Seite wir denn nun wirklich stehen. In diesem gemeinten doppelten Sinn.
Zeigen möchte ich diese OpernMiniatur in Galerien, nachdem eine Ausstellung abgehängt wurde und die nächste Ausstellung noch nicht gehängt ist oder in aufgelassenen Werkstätten, in ehemaligen Festsälen, Hinterzimmern von Gasthäusern, kleinen Theaterräumen, an Orten, in denen Leben stattgefunden hat und stattfindet: der Raum als Auditorium, wo Menschen zusammenkommen und soziale Probleme erörtern. Der Raum muss leer sein und von nichts als von seiner Funktion als leerer Raum erzählen. Hinein stellen werden wir einen zwei mal zwei Meter großen und zwei Meter hohen Würfel, auf dem sich die Sprechperformerin ausgesetzt befindet; von unten/innen beleuchtet. Das Publikum wird um den Würfel herum sitzen und die Performerin kontrollieren. Observiert von vier Überwachungskameras wird jede Bewegung auf vier Monitore übertragen, die an den vier dem Publikum zugewandten Seiten des Würfels montiert sind. Der Komponist Periklis Liakakis wird die Entäußerungen dieser Kreatur in seiner Komposition dokumentieren. In uns, in unserem Kopfarchiv, im Raum werden sie nicht nur den Augenblick der Wahrnehmung prägen, sondern auch unsere Erinnerung an uns ...
Dea Loher ist nach eigener Aussage eine Reisende zwischen Berlin und der Welt. Aber ihr kommt es nicht so sehr auf das "Reisen" an als auf das "Fremdsein". "Fremdsein empfinde ich als große Erleichterung", sagte sie in einem Interview: "Erst mal nichts verstehen müssen. Super. Und sich dann ins Unbekannte hineinforschen zu dürfen."
Wir möchten in dieser Produktion versuchen, den Abstand zwischen DA, wo sich gerade UNSER Lebensmittelpunkt befindet und DORT, wo der Abend angesiedelt ist, einem NICHT-Ort, die Fremdheit herzustellen, die uns gemeinsam ermöglicht, in ein uns bis dahin noch Unbekanntes, vielleicht Erahntes hineinzuforschen. Wie heißt es so voller Sehnsucht im Text: "der schmerz/ der schmerz muss da sein/ immer präsent/ und das glück"
(Ernst Marianne Binder) | |
wurde 1970 in Athen, Griechenland geboren. Kompositionsstudium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Wien.
Das zunehmende Interesse für "seine sehr aparte Musiksprache" (Thomas Daniel Schlee), die "einen sehr musikalischen und eigenen Ton hat" (Rodion Shchedrin), zeigt sich u.a. auch in der Zusammen-arbeit mit internationalen Ensembles, wie dem deutschen "Ensemble modern", dem Wiener Ensemble "die reihe", dem Ensemble "PHACE", dem Orchester des griechischen Rundfunks und dem Ensemble des NDR "Oktoplus" etc. | |
wurde 1964 in Traunstein geboren. Studium der Philosophie und Germanistik in München. Lebt in Berlin.
Dea Lohers Dramen sind in über 15 Sprachen übersetzt und werden in aller Welt gespielt. Für ihr literarisches Schaffen erhielt sie zahlreiche Preise und Auszeichnungen, unter anderem 2006 den Bertolt-Brecht-Preis der Stadt Augsburg, 1998 und 2008 den Mülheimer Dramatikerpreis und 2009 den Berliner Literaturpreis.
Seit 2013 ist sie Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. | |
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